Die Arbeiten des Berliner Malers Xavier Krilyk widmen sich dem Abhub der kapitalistischen Spätmoderne – Wohlstandsmüll, Logomanie, die ganze Obszönität der Warenwelt. WUNDERBLOG traf den Künstler an einem kaltgrauen Januartag in einer Shopping Mall. Krilyk erscheint mit einem Pappbecher Kaffee von MacDonalds.
WUNDERBLOG: Ihre Bilder nehmen aktuelle Phänomene ins Visier. Wo würden Sie sie verorten?
Xavier Krilyk: Meine Arbeit wurde maßgeblich von der Beschäftigung mit dem Phänomen und der Geschichte der Camouflage beeinflusst, und zwar sowohl in ihrer kunsthistorischen wie militärischen Dimension. In diesem Zusammenhang bin ich auf den wenig bekannten Sachverhalt gestoßen, dass sich die ,Erfindung´ der Camouflage in Westeuropa 1915 während des Ersten Weltkrieges kubistischen Malern verdankt. Der erste Einsatz der Camouflage bestand darin, Kanonen zu bemalen und sie optisch an ihre Umgebung anzupassen, damit sie von den feindlichen Flugzeugen nicht entdeckt würden. Mit dieser Arbeit wurden Soldaten betraut, die in ihrem zivilen Leben Künstler waren, wie etwa André Mare, Jean-Louis Forain, Charles Camoin, Jacques Villon und andere.
WUNDERBLOG: Die Ästhetik stellt sich in den Dienst des Krieges und seines Verlangens nach Tarnung...
Xavier Krilyk: Gewissermaßen ja – die Technik dieser Künstler bestand darin, direkt auf den Kanonenrohren wie auf einer Leinwand zu malen und dabei kubistische Prinzipien im Umgang mit Formen anzuwenden. Diese Geste am Ursprung der Camouflage greife ich in meiner Arbeit auf.
WUNDERBLOG: Welche Rolle spielt für Sie die Camouflage in Zeiten des Friedens?
Xavier Krilyk: Die Idee der Tarnung brachte mich dazu, in meiner Umgebung in Berlin nach etwas, was ich verstecken würde, zu suchen. Dazu habe ich als Objekt den Straßenmüll gewählt und darauf als Tarnung Bildikonen der Moderne, wie Matisse, Braque, Miró projiziert. Mit der Zeit sind noch weitere Elemente wie Piktogramme, Sticker, Graffitti, die ich auf der Straße fand, dazugekommen. Ich bin auf der Suche nach solchen Bildern, die sich nahezu in Logomotiven verwandelt haben.
WUNDERBLOG: Das Logo hat in der Warenwirtschaft die Funktion, Objekten eine Identität zu geben. Doch gilt das auch noch für weggeworfene Waren?
Xavier Krilyk: Müll ist das Schicksal aller Dinge in der Kultur, schreibt Hartmut Böhme. Denn Natur kenne keinen Müll. In der Tat: Im Moment des Wegwerfens verliert die Ware ihre Differenz, die sie zuvor wertvoll gemacht hat. Müll ist differenzlos. Verblasste Logos wirken da wie Etiketten auf Objekten, die ihre Identität verloren haben. Die Spannung, der ich in meiner Arbeit nachzuspüren versuche, liegt einerseits in der Willkür der Etikettenauswahl und der damit verbundenen Bedeutungsverschiebung.
WUNDERBLOG: Woran arbeiten Sie zur Zeit?
Xavier Krilyk: Ich beobachte die unbewussten Markierungen meines Stadtviertels. Sie sind das Label des Urbanen, mit dessen Hilfe ein codiertes Besitzverhältnis angezeigt wird. Denken Sie an die zahlreichen gemalten Tags und geklebten Sticker. Diesem Phänomen begegnet man überall in der globalisierten Welt. Aktuell führe ich diese Arbeit fort, indem ich schwarz-weiß auf Großstadt-Farbfotografie male.
Interview: Moritz Senarclens de Grancy