Stanislaw Lems Roman Solaris thematisiert die Frage, ob der Mensch dazu bestimmt sei, sein Leben zu wiederholen. Fernab der Erde begegnet der Psychologe Kris Kelvin auf der Solaris-Station seiner Frau Hari wieder, obwohl sie sich vor Jahren das Leben nahm. Im Verlauf des Romans wiederholt sich das schicksalhafte Verfehlen des Paares. Ein bekanntes Ende wird ein weiteres Mal erreicht.
Dass Zusammenkünfte immer wieder scheitern und sich Menschen, die für einander Liebe und Wertschätzung empfinden, verfehlen, ist
ein in der psychoanalytischen Arbeit bekanntes Phänomen. Es gehört zu den Zwangsphänomenen und kann als Problem der Wiederholung tituliert werden. Freuds Todestriebkonzept zufolge
ist der Wiederholungszwang eine Äußerung der Trägheit im organischen Leben. Die konservativen organischen Triebe trachten danach, einen früheren Zustand wiederherzustellen.
Es geht dem Trieb um Restitution eines früheren Glücks. (Freud 1920g, S. 38) Ungeachtet dessen führt der Weg zu diesem früheren Glück nicht selten über viel Unglück. Um den tragischen Wiederholungen entgegenzuwirken, setzt eine psychoanalytisch orientierte Arbeit darauf, sich über die eigene Geschichte klar zu werden, die immer in die Interaktion mit anderen einfließt. Das Problem der Wiederholung macht sich dabei auch im Umgang mit anderen Mitgliedern von Gruppen und Organisationen bemerkbar.
Die spezifisch psychoanalytische Haltung macht die Not zur Tugend und setzt auf den bewussten Einsatz des subjektiven Empfindens und der persönlichen Reaktion auf Gruppensituationen, die zugleich Auskunft gibt über die Gesamtsituation eines Unternehmens. Bevor wir als psychoanalytisch orientierte Forscher, Berater, Coaches, aber auch Mitarbeiter einer Organisation an Veränderung auch nur denken, haben wir uns selbst bereits verändern lassen.
Dessen ungeachtet ist der Mensch auf die Brücken angewiesen, welche ihm das Phänomen der Übertragungen baut. “Im erweiterten Sinn kann jede eigene Reaktion auf die Übertragung eines anderen Menschen als Gegenübertragung bezeichnet werden” (Lohmer). Diese Übertragungen bereiten die Ausgangslage für Zusammenkünfte, das heißt für die Möglichkeit gemeinsam geteilter Emotionen, Erfahrungen und Begriffe.
Noch vor dem persönlichen Kennenlernen findet ein erster Kontakt in der Phantasie statt, als welche sich Übertragungen erweisen. Wie auch immer wir dem Anderen begegnen - das Es bereitet ein Fundament für diese Begegnung vor. Alle Methoden der psychoanalytisch perspektivierten Arbeit in Organisationen setzen insofern darauf, den Bereich des Imaginären in denjenigen des Symbolischen zu übertragen. Denn nur über das Symbolische können sich Menschen verständigen und die Basis für Transparenz und Vertrauen schaffen. Hierin liegt der Schlüssel auch für organisationale Entwicklung.
Als ein klassisches Beispiel für organisationale Entwicklungsarbeit kann die Balintgruppe gelten. Das lösungsorientierte Arbeitsformat setzt methodisch auf ein ungesteuertes, offenes Gesprächsgeschehen. Von den jeweiligen Referenten jeweils nicht erkannte, unbewusste Aspekte eines Konflikts in ihrer Arbeitssituation werden durch die Art ihrer Berichte auf die Gruppe übertragen, die, ohne persönlich involviert zu sein, Lösungsansätze formulieren kann. Nach der Phase des freien Assoziierens schildert der Referent seine Eindrücke vom Geschehen und beteiligt sich an der gemeinsamen Lösungssuche. Die Wirkung des Verfahrens ergibt sich aus emotionaler Entlastung, kognitiver Klärung und gemeinsamer Lösungssuche. Das Instrument der Balintgruppenarbeit ist die Arbeit an der Übertragung mit Hilfe der Sprache oder, wie Freud sagte, im einfachen Austausch von Worten. Moritz Senarclens de Grancy
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