Korruption ist ein strafbares Handeln, bei dem unter Missachtung von Gesetzen Vorteile (Dienstleistungen oder Waren) gegen Geld eingetauscht werden. Ungeachtet dessen scheint bestechliches Verhalten die Angst vor dem Gesetz außer Kraft zu setzen: Wer genug bezahlen kann, darf sich alles erlauben und kauft sich auch von Haftstrafen frei.
Aus psychoanalytischer Sicht ist an Korruption interessant, dass die Parteien vereinbaren, zu ihrem jeweiligen Vorteil die Geltung des Wortes außeracht zu lassen. Denn mehr noch als bei der Lüge bedingt Bestechlichkeit eine bewusst akzeptierte Spaltung zwischen Wahrheit und Wissen im Sprechen beider Beteiligten. Eine edle Armbanduhr als Bestechungsgeschenk wird alle folgenden Sprechakte hemmen und sie der Erfüllung bestimmter Erwartungen unterstellen. Zugleich schaffen sich die korrumpierten Parteien eine privilegierte Form des Genießens, deren Sinn sich allerdings im privaten Vorteil erschöpft.
Gleichwohl Bestechung sehr gut stillschweigend funktioniert, hat sie Einfluss auf das Sprechen. Während die Lüge die Wahrheit der Rede unterminiert, aber immer auch konserviert, verzerrt Korruption die Rede zu einer Pseudologizität. Wer einem Beamten die Frage stellt, "Können wir das nicht auch anders regeln?", sieht in eben jenem Reglement etwas, das sich willkürlich auslegen lässt. Das "anders" meint dann keineswegs ein ergebnisoffenes Nachdenken über geeignetere Alternativen, sondern einen Zynismus, sofern das Sprechen an den Vorteil geknüpft wird, der im Falle einer Entscheidungsbeeinflussung gewährt wird. Dabei wird ignoriert, dass die Gültigkeit von Regeln und Normen einen unverzichtbaren strukturierenden Wert hat.
Wenn bei der Korruption am Ende die Rechnung doch nicht aufgeht, hat das auch mit einer funktionierenden Sprachkultur zu tun, die es nicht hinnimmt, wenn etwa der TÜV-Prüfer zu erkennen gibt, bei der Hauptuntersuchung des PKW für 50 Euro "ein Auge zuzudrücken". Dabei ist es ja nicht so, dass Sprache nicht auch Regeln bricht und normatives Denken unterläuft, ganz im Gegenteil. Korrumpierendes Sprachverhalten bewirkt jedoch gerade die Ausschaltung sprachlicher Möglichkeiten. Eine intakte Sprachkultur wehrt sich insofern gegen ihre Engführung durch Einzelinteressen.
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