Die Via regia zum Unbewussten führte für Freud über den Traum. Anhand des Traums gelang es ihm gegen Ende der 1890er Jahre erstmals, ein systematisches Verständnis unbewusster seelischer Vorgänge zu entwickeln und theoretisch auszuarbeiten.
Der Traum als vorzüglicher Ausdruck des Unbewussten sperrt sich jedoch gegen den Zugriff mit den Mitteln der Logik und der Ratio. Um Träume ungeachtet dessen als sinnvolle Gedanken deutbar zu machen, kam Freud darauf, dass während der allnächtlichen Traumarbeit Übertragungen stattgefunden haben mussten, die es im Zuge der Traumdeutung wieder rückgängig zu machen gälte. Dieses Rückwärtslesen der Traumdetails erforderte jedoch ein Denken vom Objekt her, d.h. ein Denken, bei dem sich Träumer und Traumdeuter auf die entstellenden Mechanismen der Traumarbeit einlassen.
Das "Denken vom Objekt" her wurde zugleich zur Grundhaltung psychoanalytischen Arbeitens. Denn ganz gleich, ob es um Träume ging oder um Fehlhandlungen, Witze oder Symptomäußerungen, die Psychoanalyse Freuds war stets bestrebt, die inhärenten Vorgänge des Zustandekommens solcher Phänomene nachvollziehbar werden zu lassen. Von Anbeginn beschränkte sie sich dabei nicht auf die Auslegung von Symbolen, deren Sinn herauszulesen eine rein hermeneutische Aufgabe wäre; vielmehr suchte sie auch Wege, um Unsinniges, Irrsinn, Paradoxien oder auch Paranoia in den Deutungsprozess miteinzubeziehen. Dies gelang, indem sie gedankliche Verknüpfungen in Form von Sinnverschiebungen und -verdichtungen oder auch in Gestalt einer Darstellung durchs Gegenteil annahm - Verknüpfungswege, die im Denkmöglichen des Objekts lagen.
Das Objekt wurde, allgemein formuliert, zur Quelle der Erkenntnis gemacht. Im klinischen Kontext der Psychoanalyse galt darum die Objektsprache (die Rede des Analysanten) schon sehr früh - Freud skizziert diese Erkenntnisbewegung in seiner Schrift Studien über Hysterie (1895) - als Richtschnur des analytischen Prozesses, während die Beschreibungssprache des Arztes bzw. des Analytikers in den Hintergrund trat. Hiermit einher geht auch die Überwindung der Grenze zwischen Pathologischem und Normalem. Seit Freud gilt es sofern als die spezifische und noble Geste der Psychoanalyse, dem Symptom (d.h. dem Objekt) ein individuelles Wissen, gleichsam einen Charakter zuzubilligen, anstatt umgekehrt das Symptom als Anpassungsstörung in einen gesundheitspolitischen Herrschaftsdiskurs einzuordnen. MSG
Kommentar schreiben